Freitag, September 29

Mehr und weniger ernst gemeinte Indien-Tipps, 29.09.06

Die folgenden "Insider-Tipps" stehen leider meistens nicht im Reiseführer:
  • Gehen Sie davon aus, dass es in jedem hintersten Winkel Indiens jede Menge Touristen hat (siehe Blog). Ich war zur Regenzeit unterwegs, d.h. die Zeit, vor der jeder Reiseführer warnt. Trotzdem begegnete ich an allen möglichen und unmöglichen Stellen jede Menge Touristen und zwar einerseits "westliche" (v.a. Engländer, Amerikaner, Japaner) aber vor allem ungleich viel mehr Inder.
  • ****Hotels sind in Indien viel zu schlecht, wenn Sie westlichen Standard gewöhnt sind. Ich hörte zahlreiche Berichte über **** mit dreckigen Zimmern, Spinnennetzen, Kakalaken, verdorbenen Lebensmitteln etc. Die gute Nachricht ist, das es praktisch überall *****Hotels westlicher Ketten mit westlichem Standard gibt, die schlechte, dass die gleich teuer wie bei uns sind (und in abgelegenen Industrieorten mangels Konkurrenz noch teurer).
  • Reisen Sie wie es die indischen Touristen machen, d.h. meiden Sie Züge, Busse, Taxis und reisen Sie nur Fly & Drive (regionale Fluglinien und Mietwagen mit Driver).
  • Genügend Geld mitnehmen. Auch wenn es schwierig ist: versuchen Sie möglichst viel mit Kreditkarte zu zahlen, da der Devisenkurs VIEL besser als der Notenkurs ist, zudem ist es sehr wahrscheinlich, dass gewisse Rechnungen durch interne Schlampereien nie den Weg zur Kreditkartenfirma finden.
  • Führen Sie ein Set von Imbusschlüsseln mit, denn sonst werden Sie weder im Hotel noch (ggf.) im Büro ein Fenster aufmachen können. Führen Sie vorher aber den Mosquitotest durch!
  • Organisieren Sie alles selbst und lassen Sie sich nicht von der indischen Unselbständigkeit anstecken. Ein Inder wird zwar niemals einen Flug von A nach B oder ein Hotel selbst buchen, sondern immer über ein Reisebüro gehen, welches sich an einen Broker wendet, welcher dann ...
    Gegen Ende meines Aufenthaltes habe ich es immer mehr genossen, in einem europäischen Reiseportal per Mausklick in wenigen Minuten komplette Arrangements zu buchen, abzuwarten, wie die indischen Kollegen Tag für Tag herumtelefonieren und feilschen, und dann erlaubte ich mir am Ende schüchtern nach dem Preis fragen, den sie dafür bezahlt haben (egal ob Flug, Hotel oder Mietwagen: bei mir war's praktisch immer günstiger).
  • Sind Sie sich bei der Reiseplanung bewusst: ganz Indien erstickt im Stau. Jeder Anfahrtsweg zu einer kleinen Sehenswürdigkeit wird im Minimum 1 Stunde dauern.
  • Indien ist teuer: Touristen- und Businesshotels haben mindestens unsere Preise, westliche Güter sind durch die 100%Importsteuer viel teurer (es ist unglaublich was die Leute hier für einen LCD-Screen ausgeben müssen), die Zutrittspreise zu Sehenswürdigkeiten (incl. "Photo Allowance") sind auch nicht gerade nichts, günstiger ist nur das Essen (auch in Luxushotels).
  • Jeder Driver wird Sie in Boutiquen / Souvenierläden führen, wo er dann Provision kriegt. Im Reisebüro wird davon gewarnt. Meine Meinung ist allerdings, dass dies die einzigen Läden ist, die chick aussehen, wo Preise angeschrieben sind, wo man in Ruhe verschiedene Dinge vergleichen kann, mit Kreditkarte bezahlen u.ä. Die Preise sind zwar etwas höher, dafür ist aber die Gefahr geringer vollkommen übers Ohr gehauen zu werden.
  • Gehen Sie rücksichtsvoll mit Ihrem Führer um! Auch wenn er dürr wie eine Bohnenstange aussieht, seine Kondition wird erbärmlich sein. Wenn Sie einigermassen sportlich sind, gehen Sie bitte nicht zu schnell die Treppen hoch. Wenn Sie langsam anfangen zu schwitzen, gehen Sie davon aus, dass sein Hemd bereits platschnass ist. Geben Sie ihm zu verstehen, dass Sie nicht bereits nach Sehenswürdigkeit 1 volkommen erschöpft sind und noch Weiteres sehen möchten.
  • Versuchen Sie sich (so wie die Indischen Kühe) an Müll zu gewöhnen. Wie schon öfters gesagt, liegt dieser überall - auch in "Hide-a-Ways" und Naturschutzgebieten. Ebenso wird jedes kleinen Bächchen, jeder kleiner See, jeder Zufahrsweg zu einem kleinen Tempel verschmutzt sein.

Montag, September 25

Die Sache mit dem Wetter, 25.09.06

97% Luftfeuchtigkeit bei 29.4°: Wie fühlt sich das an? Kurzum: wie im Treibhaus, nur etwas extremer. In jedem Indienreiseführer steht auf Seite 1, Indien ist in der Regenzeit zu meiden. Das Wetter war aber eigentlich nicht ein Riesenproblem für mich. Es hängt auch stark von der Grundphysis ab. Am meisten leiden darunter wohl fettleibige und bereits angeschlagene Menschen. Zudem hält sich der "zivilisierte" Inder niemals im Freien aus. Bei der hohen Luftfeuchtigkeit macht die Temperatur extrem viel aus. Ist sie unter 25° fröstelte ich, 27-28° waren "angenehm", bei 36° wie in Agra schwitzt man ähnlich wie in einem Dampfbad ohne Ende, aber ich fand das (ehrlich) gar nicht soooo schlimm - oder zumindest besser als -10°. Dennoch hat das Wetter grosse Nachteile:
  • Alle Gebäude sind hermetisch abgeriegelt (Fenster lassen sich nur mit Imbusschlüssel öffnen).
  • Im Auto laufen alle Scheiben dauernd an.
  • Schreibpapier ist immer feucht.
  • Klopapier ist wegen der hohen Feuchtigkeit fast unbrauchbar.
  • Die Brille läuft dauernd an.
  • Durch die extrem dicken Wolken ist es dunkler als bei uns.
  • Unruhige Flüge.
  • Durch die hohen Sommer-Durschnittstemperaturen ist das Wasser im Swimmingpool auch zur Regenzeit noch viel zu warm.
  • Die Regenzeit ist psychisch anspruchsvoll, besonders in den "schlimmen" Gegenden wie Pune oder Mumbai (= Regen, Regen, Regen, dunkel, kurze Tage während in Dehli = Sonne und ab Nachmittag starke Gewitter)

Tipps: Indienferien, 24.09.06

Nun, ich bin kein Indienferienexperte, aber immerhin habe ich min. 80% der in allen Katalogen abgebildeten Indien-Highlights mit eigenen Augen vor Ort gesehen und dies mit einem Zeitaufwand von 2 Weekends + 2 Fahrten ins Landesinnere. Es gibt sicherlich viele Leute, die nicht so wie ich praktisch rein rational Ferien planen (Prestige, Exotik etc. zählt für mich nicht). Aber ich stelle mir immer die Frage: "Was will ich in den Ferien tun oder erleben?". Wenn die Antwort eine der folgenden ist, würde ich klar nicht in Indien Ferien machen:
  • Schöne orientalische Gebäude sehen:
    Istanbul ist praktischer, die Gebäude sind viel prunkvoller und haben ein gesamtheitliches Gestaltungsbild, die Umgebung ist viel schöner. Die Blaue Moschee oder der Sultanspalast sind von einem anderen Kaliber.
  • Schöne orientalische Burgen ("Forts") sehen:
    Marokko ist viel eindrucksvoller. Die Forts liegen in einer viel schöneren Landschaft, sind besser erhalten und es stinkt nicht. Einzige Ausnahme: In etwa 5-10 Jahren, wenn Amber Fort vollständig restauriert wird, ist dies ein Prachtbau, der mit Sultanspalast in Istanbul konkurrenzieren kann und jedes marokkanische Fort an Grösse schlägt.
  • Natur sehen:
    Die klassische Indienreise führt im "Golden Triangle" um Delhi. Die Landschaft ist dabei so interessant wie eine Fahrt durch die Poebene, nur dass es viel dreckiger ist. Eigentlich müsste die Pflanzenwelt Indiens von Hochgebirgsvergetation im Himalaya bis zu tropischen Regenwäldern im Süden faszinierend sein. Was aber vergessen geht:
  • Weite Teile der ursprünglichen Vegetationsdecke sind heute vollkommen zerstört, stattdessen ist Indien überwiegend durch Kulturlandschaftengeprägt.
  • Nur noch etwa ein Fünftel des Landes ist bewaldet, wobei offizielle Angaben hierzu schwanken und auch degradierte Gebiete sowie offene Wälder mit einbeziehen.
  • Das riesige Indien ist doppelt so dicht besiedelt wie Deutschland! Im 300km Radius von Dehli und 100km Radius von Mumbai habe ich noch nie einen Punkt erlebt, wo man nichts von Menschenhand Geschaffenes sieht.
  • Wanderwege und sonstige Hide-Aways gibt's, aber überall liegt Müll. (Die Aussage ist sicherlich pauschal, aber nach einer Dreistundenfahrt in einen Nationalpark, wo wiederum überall Müll herumliegt, + zwei weiteren Trips berechtigt.)
  • Schöne Strände:
    Leider habe ich's nie bis Goa geschafft, aber es soll hier wirklich schön sein. Andererseits habe ich starke Zweifel, ob die Region schöner als Thailand, Indonesien, Bali, Mauritius etc ist und bei gleichem Niveau sicherlich teurer (Hotels mit westl. Standards sind in Indien wirklich teuer) - und:
    TIPP: niemals via Mumbai reisen, die zwei Terminals sind immer noch nicht verbunden und eine Umstiegszeit von 6 Stunden ist z.Zt. einzukalkulieren! Alternative: via Dubai!
  • Rucksacktouristen:
    Indien besteht wohl zu über 80% aus armen bis bettelarmen Leuten. Für diese stehen Busse, Bahnen,
    Strassenläden etc. zur Verfügung. Diese Infrastruktur ist aber überhaupt nicht auf Tourismus abgestimmt, d.h. man wird z.B. gar nie zu Berglandschaften oder gewissen schönen Aussichtspunkten kommen + unendlich viel Zeit verlieren.
Wer soll also Ferien machen:
  • Leute, die einmal eine exotische Destination bereisen wollen, ohne irgendwelche Reiseerfahrung. Kaum ein Land eignet sich besser für "Vacations for Dummies". Vom Internet oder Reisebüro aus gebucht, kann man vom Flughafen abgeholt werden (der Name wird in 72pt Schrift am Ausgang stehen) und 7 Tage später dort am richtigen Terminal wieder "abgegeben" werden. Dabei wird man min. 80% der Reiseprospektbilder erleben, nur in *****Hilton & Co. Hotels schlafen und essen, jeden Ziegelstein von einem Führer erklärt bekommen und keinen Schritt allein machen müssen. Kein Witz: man wird in einem Tempel oder Fort vor Türschwellen gewarnt werden! Und: bitte sagen Sie dem Führer, wenn Sie aufs Klo müssen - er wird dann draussen auf Sie warten, andererseits ist er beunruhigt.
  • Familien mit Kinder im Schulalter
    Als 10jähriger hätte ich mich kaputt gelacht, auf einer Stadtautobahn auf der Überholspur eine schlafende Kuh oder einen Kamelwagen zu sehen, Chauffeure, die im Stau zwecks Spucken die Autotür aufmachen, 15 Leute, die sich ein dreisitziges "Autoritschka" teilen etc. Als Erwachsener finde ich das zwar kurzfristig amüsant, aber nach ein paar Stunden eher nervend bis langweilig.
  • Leute, die alles auf der Welt schon gesehen haben
    und Geld keine Rolle spielt. Den perfekten Trip sehe ich:
  1. Tag: Ankunft in Mumbai, mit dem Limousinenservice auf dem Weg 2.5 Stunden im Stau stehen zum Hotel Taj Mahal Palace, dem besten der Welt). 1 Tag dort relaxen.
  2. Tag: Flug nach New Delhi. Mit der Limousine zum Jamia Masjid (1h) und dann gleich zurück zum Flughafen. Flug nach Agra. Mit der Limousine zum Taj Mahal (2h), dem einzigen Gebäude, dass meiner Meinung berichtigerweise Weltklasse ist. Flug zurück nach New Delhi und weiter nach Dubai, Bangkok oder Singapur zum Ausspannen.
  3. Tag: Es wird einem wie ein Traum vorkommen, aber man hat praktisch alles gesehen (die zwei schönsten Gebäude, das Regierungsviertel, das schönste Hotel, Victoria Station, Gate of India, Strand, Strassenchaos, Dreck, Gestank, bettelnde Kinder etc.)